
14 Okt Es geht Richtung Kunst: Was ist #kunstwärts?
Im ersten Post habe ich wahrscheinlich allzu beiläufig bemerkt, dass ich immer noch als Masterstudentin an der Universität Tübingen eingeschrieben bin. Die Universität in Süddeutschland spielt allerdings eine wesentliche Rolle in der Wiederbelebung oder sogar in der Entstehung „Berlinskijs“. Nun erfährst du, wohin der Wind weht. Nämlich #kunstwärts.
„Der hohen Phantasie versagte hier die Kraft. Aber schon wälzte Liebe meine Sehnsucht und mein Wollen um wie ein Rad, das sich im Gleichmaß dreht, die Liebe, die die Sonne bewegt und die anderen Sterne.“ Mit diesen Zeilen endet Dante Alighieri seine „Göttliche Komödie“*. Und mit diesem Zitat aus seinem Werk möchte ich meine Geschichte anfangen. Sentimental und kitschig? Vielleicht ist es auch ein bisschen. Aber ich kann nichts dafür… Was ich jedoch kann, ist das sehr gut nachzuvollziehen. Die Liebe wälzt um und bewegt in der Tat. Nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich. Sie kann so stark anrühren und anregen, dass man sich an einen anderen Ort begeben muss. So war es bei mir.
Da ich versuche, immer meiner inneren Stimme zu folgen, hat die Liebe mich zu dem bewegt, was ich gerade mache, und dorthin gebracht, wo ich gerade bin. Nämlich die Liebe zu drei Sachen.
Die Liebe zu Kunst.
Die habe ich von meinem Großvater übernommen – beziehungsweise von ihm und mit ihm erlernt. Denn mit ihm und meine Großmutter habe ich meine ersten Meisterwerke der Malerei in russischen Ermitage gesehen. Unter anderem die Gemälde von Leonardo da Vinci, Tizian, Raffael, Rubens, Caravaggio, Rembrandt, Velazquez, El Greco, Francisco de Goya und weiter von Vincent van Gogh, Claude Monet, Édouard Manet, Pierre-Auguste Renoir, Alfred Sisley, Henri de Toulouse-Lautrec, Paul Cézanne, Paul Gauguin, Paul Signac, Henri Matisse und Pablo Picasso. Ach, schon beim Nennen wird es mir schwindelig, als ob ich gefühlsbesoffen bin. Immer noch habe ich das große Glück, mit meinem Großvater in Kunstausstellungen zu gehen und über Kunst – gerne auch zeitgenössische – und Kultur zu diskutieren. Einer seiner Lieblingskünstler ist im Übrigen kein anderer als Wassily Kandinsky. Ein Kunstdruck von seiner „Komposition VIII“ hängt im Wohnzimmer des Hauses meiner Großeltern und macht mich sehr stolz.
GIFs © @kiszkiloszki**
Die Liebe zu Berlin.
Ich trage diese Stadt schon eine Weile im Herzen. Im Sommer 2014 erlebte ich Berlin zum ersten Mal und so unverschämt gefühlig wie es klingt, gebe ich zu: Es war Liebe auf den ersten Schlag. In jedem Atemzug spüre ich nach wie vor diese Liebe. Ich fühle mich in dieser Stadt so wohl wie momentan nirgendwo sonst auf der Welt.
Die Liebe, andere dafür zu begeistern, was ich selbst liebe.
Das ist einer der Gründe, warum ich einst Kulturjournalistin werden wollte. Neben dem Verlangen, das Leben einer Gesellschaft zu dokumentieren und kritisch zu reflektieren, fiebere ich auch danach, die Menschen mit meiner Liebe zu Kunst und Kultur anzustecken und ihnen diese mit Erklärungen näherzubringen. Denn die Kunst ist zwar nicht (über)lebenswichtig und zählt nicht zu unseren Existenzbedürfnissen, aber mittlerweile ist sie als Teil der Kultur und Unterhaltung sogar gesetzlich als Regelbedarf definiert – also doch lebenswichtig!
So hat mich die Liebe zu diesen drei Sachen nach Berlin geführt, wo ich mich mit meiner Masterarbeit im Studiengang Medienwissenschaft an der Universität Tübingen beschäftige. Das Thema der Masterarbeit lautet „Russischsprachige Künstler in Berlin“ und in deren Seiten schmökest du gerade.

Ja-ja, du hast dich nicht verlesen. Was normalerweise als eine wissenschaftliche Abschlussarbeit verfasst wird, kann nach der Studienordnung meines Studienfachs „aus einem Werkstück mit wissenschaftlicher Dokumentation bestehen“. In meinem Fall wird das Werkstück in Form einer Beitragsserie #kunstwärts über die russischsprachigen Künstler in Berlin für das Blogmagazin „Berlinskij“ gestalten.
Warum Künstler und warum in Berlin, kannst du dir jetzt vielleicht sogar selbst beantworten – glaubst du? Nun, denke nicht, dass alles so einfach ist. Die Sache ist viel vielschichtiger und spannender. Warum? Das erfährst du gleich. Aber warum eigentlich “russischsprachige Künstler” und zum Beispiel nicht russische oder postsowjetische? Du weißt ja, die Geschichte Russlands ist alles anderes als langweilig. Sie ist lang (die Kiewer Rus wurde 862 gegründet – verrückt, oder?!). Sie ist blutig (Altrussland war ja nicht von Anfang an so riesig wie das heutige Land). Und sie ist stellenweise ziemlich unübersichtlich (In der Sowjetunion gab es 15 Unionsrepubliken und im Jahr 1990 hatte der gesamte Staat fast 300 Mio. Einwohner).
Es wäre deswegen zu eng gefasst, nur über russische Künstler in Berlin zu sprechen. Gerade hier in Deutschland, auf einem fremden Territorium, leben viele Leute, die nicht unbedingt Russen sind und sich trotzdem auf der einen oder anderen Weise mit Russland bzw. der ehemaligen UdSSR verbunden fühlen. Sie können sich nach ihrer Herkunft, Abstammung, Religion oder sogar Hautfarbe unterscheiden. Was sie allerdings alle verbindet, zusammenhält wie Fäden eine Patchworkdecke, ist die russische Sprache. Diese Menschen reden untereinander überwiegend Russisch und werden deswegen als Russischsprecher oder russischsprachige Bevölkerung in Deutschland bezeichnet. In den nächsten Posts verwende ich einfachheitshalber die Ausdrucke “Russen” und “russische Emigranten”. Ich meine damit aber nicht nur diejenigen, die russischer Herkunft sind, sondern alle Russischsprecher.
Nun, lass uns noch vollständig klären, warum ich die russischsprachigen Künstler insbesondere in Berlin untersuchen möchte. Du wirst es mir nicht glauben, aber Russen, gerade Intellektuelle und Kunstschaffende aus Russland, und Berlin haben eine sehr spannende Vergangenheit – und das nicht nur seit der DDR-Zeiten. Die Stadt hat eine starke Kunstaura und es scheint, Russen haben das schon länger mitbekommen. Außerdem ist Berlin für die Konzentration der Kunst und Künstler aus aller Welt bekannt. Die Frage des Phänomens Berlins als einer einzigartigen Kunststadt bleibt auch heute aktuell und offen; sie ist sehr vielschichtig und lässt sich je nach gewünschten Aspekt unterschiedlich beantworten.
In der Beitragsserie #kunstwärts werde ich zunächst in die Vergangenheit blicken und die historischen Kulissen der Kunststadt Berlin, vor allem aus der Sicht der Kunstschaffende aus Russland, vorstellen. Danach gehe ich der Frage des Berliner Phänomens aus der Perspektive der in Berlin lebenden Gegenwartskünstler nach. Im nächsten Post lade ich dich auf eine kurze Zeitreise zurück in eine Zeit ein, als es in Berlin „noch keine Spur vom Hauptstadtleben gab“ – vom Kulturleben aber schon!
Deine Anna Esprit /ɛsˈpriː/
*Aus: „Paradiso“, 33, 142-145. (hier in Kurt Flaschs Prosa-Übersetzung).
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#kunstwärts Eine Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart - Russische Künstler in Berlin heutzutage - Blogmagazin über Kunst, Medien & Berlin
Posted at 11:31h, 28 Oktober[…] Medienwissenschaft an der Universität Tübingen erstellt habe, oder? (Ich habe darüber hier geschrieben.) Deswegen also die Hypothesen. Sie sind nämlich wie […]