Feministen-Skelette und Tonskulpturen aus Holz: Was bedeutet Kunst in der Post-Internet-Welt?

Feministen-Skelette und Tonskulpturen aus Holz: Was bedeutet Kunst in der Post-Internet-Welt?

Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, wohin die ins Internet hochgeladenen Bilder und Videos später verschwinden? Oder darüber, wie sich der digitale Wandel auf uns persönlich tagein tagaus auswirkt? Hat die Virtualität das Lebensgefühl in der Realität bereits verändert? Wenn ja, auf welche Art und Weise? Wenn euch auf diese Fragen noch keine passende Antwort eingefallen ist, dann ist das nicht so schlimm. Hierfür haben wir zeitgenössischen Künstler*, die über unseren Lebensalltag reflektieren und ihn unverblümt darstellen. So im Rahmen der Ausstellung „Hybrid Layers“, die im ZKM (Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe) stattfindet, setzten sich 22 junge Medienkünstler aus Europa, Nordamerika und Asien mit dem Thema Post-Internet-Realität auseinander. Interessierte können sie noch bis zum 7. Januar 2018 besuchen und bekommen dort die aktuellste Kunst, die es gibt, vorgestellt: „die Port-Internet-Kunst“.

(Video zur Ausstellung)

Liberale und Konservative, Veganer und Allesesser, Game of Thrones Fans und was es sonst noch so alles gibt… Wir haben so viele Labels in unserem Leben. Auch in der Kunstwelt gibt es bestimmte Begrifflichkeiten: Künstler und Kunstwerke werden nach Epochen, Stilrichtungen , Bewegungen etc. unterschieden. Manche „Labels“ werden übernommen und überdauern Jahrhunderte ohne in Vergessenheit zu geraten; andere betreffen lediglich ein paar Künstler und erfahren somit nur in einem kleinen Kreis Anwendung.

Einhergehend mit dem Aufkommen der Medienkunst entstehen neue Kunstbegriffe wie Pilze, die nach einem verregneten Tag aus dem Boden schießen. Da wäre beispielsweise die Netzkunst, die Digitalkunst, die Computerkunst, die Roboterkunst, die elektronische Kunst, die Softwarekunst, die Biokunst – die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Die Grenze, wann eine Definition endet und wann eine andere beginnt, ist genau so schwammig, wie die Antwort auf die Frage, was Kunst nach Marcel Duchamp ist.

HybridLayers6-min Anne de Vries “Submission”, 2015

So können einige Gegenwartskünstler wohl als Post-Internet-Künstler bezeichnet werden. Wieso? Weil wir jetzt angeblich in der Zeit des Post-Internets leben. Auch wenn das für so manchen womöglich etwas lebensgefährlich klingen kann – so katastrophal und sinnlos ist es gar nicht.

„Post-Internet“ bedeutet nicht, dass das World Wide Web und alles damit Zusammenhängende dem Ende geweiht ist. Ganz im Gegenteil. Es bewirkt geradezu die Omnipräsenz des Internets. Der Begriff beschreibt die Transformationen der Wirklichkeit, die jeder von uns Tag für Tag erlebt. Die virtuelle Realität wird zur Realität, das Digitale wird zur Grundbedingung und gleichzeitig zur Banalität. In unseren Adern fließt noch immer Blut und wir benötigen nach wie vor Sauerstoff zum Atmen. Aber genau so essenziell wie die Luft zum Atmen ist für viele mittlerweile auch der Drang geworden, ständig erreichbar zu sein: Im Viertelstundentakt checken wir das Handy, im Stundentakt Facebook oder Instagram – schließlich darf man auf keinen Fall etwas verpasst werden. Der „Digital dualism“ kommt nicht mehr in Frage. Das Internet ist inzwischen zu einem integrierten Bestandteil unseres Lebens geworden, der nicht ignoriert werden sollte.

HybridLayers7-min Rachel de Joodes „Here I am und things that exist. Ow!“, 2015

Die greifbare Virtualität und die Readymades des einundzwanzigsten Jahrhunderts

Während wir Nachricht um Nachricht beantworten, geht die Kunst ihrer gewohnten Arbeit in der Umbruchzeit nach: Sie sucht nach neuer Ästhetik und nach neuen Inhalten in der Gegenwart und findet Unterstützung hierfür in der Vergangenheit. 

Die Post-Internet-Kunst-Bewegung stammt aus der Netzkunst der 1990er-Jahre und setzt die Tradition von Dada und Fluxus fort. Vor allem die jüngere, digital vernetzte Generation steht der neuen Ästhetik näher. Sie beschäftigt sich mit der Frage: Wie schafft man Kunst in einer Zeit, in der die Alltagserfahrung und damit einhergehend auch die Kunsterfahrung hauptsächlich durch Medienerfahrung ersetzt wird? Jede(r) KünstlerIn wählt ihre oder seine eigene Methode und spielt mit ihr. Medienkünstler, die bei einem der klassischen Prinzipien der Netzkunst bleiben, nutzen das Internet tatsächlich als Medium und existieren ausschließlich online. Andere Künstler suchen demgegenüber Wege aus der Virtualität heraus. Mithilfe neuer Druckverfahren gelingt es diesen Künstler, die Medienkunst in die analoge Welt einzuführen. Das World Wide Web dient für die Post-Internet-Künstler als Informationsquelle beziehungsweise als Archiv. Sie arbeiten oft mit Bilderdatenbanken und mit im Netz gefundenen Videos – mit sogenannten „Objet Trouvés“ des Internets.

Die Geschichte der Kunstbewegung begann im Jahr 2009 mit der Ausstellung „AFK Sculpture Park (Away From Keyboard)“ in Berlin. Diese Schau stellt den ersten Versuch der Netzkünstler dar, das Digitale in den physischen Raum zu holen und bestätigte damit eines der Grundprinzipien der Post-Internet-Kunst. Die erste Prägung des Begriffs fand jedoch schon früher – im Jahre 2006 – statt: Marisa Olson, eine in Augsburg geborene und in New York lebende Künstlerin und Kuratorin, schrieb in der in TimeOut New York veröffentlichten Email-Korrespondenz:

„What I make is less art ‚on’ the Internet than it is art ‚after’ the Internet. It’s the yield of my compulsive surfing and downloading. I create performances, songs, photos, texts, or installations directly derived from materials on the Internet or my activity there.“

HybridLayers1-min Ed Fornieles „Der Geist: Flesh Feast”, 2016

Für Olson war die Post-Internet-Kunst allerdings nur eine Art künstlerische Praxis, die sich auf Rohstoffe und Ideen aus dem Internet bezog und sich daraus entwickelt hatte. Der Kunstkritiker Gene McHugh erweiterte den Begriff in seinem in den Jahren 2009 bis 2010 bestehenden Blog „Post Internet“, indem er das gleichnamige Phänomen sowie die Kunst in Zeiten des Internets untersuchte und kritisch betrachtete. Die hiervon inspirierte Künstlerin Katja Novitskova aus Estland initiierte 2010 das Projekt „Post Internet Survival Guide“, das als Buch, Installation (FORMATS) und Reihe von Events und Ausstellungen realisiert wurde. Sie beschreibt dieses Projekt folgendermaßen:

„ [It is] a tool to assist in stepping above our daily online routine, to reach a realm that lies somewhere between reading a principal religious text, watching a colonial documentary on savages, or looking at yourself in the mirror. This is the space where we ask ourselves what it means to be a human being today.“

Aber nicht alle Künstler wollen als Post-Internet-Künstler bezeichnet werden. Laut einiger Experten war die Bewegung bereits 2014 zum Mainstream geworden und vergangenes Jahr in Vergessenheit geraten. Grund hierfür, so einige Künstler, sei der Umstand, dass sie nur „eine Marketingfloskel ohne jeden Inhalt gewesen sei“. Aber ist dieser Trend tatsächlich vorbei? Keinesfalls. Junge Künstler** setzen sich weiterhin bewusst mit dem hybriden Medium des Internets auseinander und beschäftigen sich mit der neuen Ästhetik von sozialen Medien, Suchmaschinen und Online-Werbung. Überdies wird die Bewegung von Institutionen, wie dem ZKM in Karlsruhe und dem HeK (Haus der elektronischen Künste) in Basel, gefördert und in Ausstellungen und Biennalen präsentiert.

HybridLayers3-min Lichthof 8+9 im Zentrum für Kunst und Medien

Die hybride Post-Internet-Ästhetik im ZKM

Die Schau in Karlsruhe lädt uns dazu, anhand von 22 künstlerischen Positionen „die hybriden Schichten digitaler und physischer Realitäten in ihren facettenreichen Ausprägungen zugleich unvoreingenommen, erwartungsvoll und kritisch zu erkunden“.

Vier KuratorInnen aus Italien, Deutschland und Russland betreuen die Ausstellung. Die Kuratorin Daria Mille erklärt: „Zum Team gehören Giulia Bini, Sabiha Keyif, Philipp Ziegler und ich. Jede(r) von uns hat Künstler und Künstlerinnen vorgeschlagen, gemeinsam haben wir dann ihre Arbeiten ausgewählt oder ihnen vorgeschlagen, eine neue Arbeit zu produzieren.“

Das KuratorInnen-Team distanziert sich jedoch bewusst von dem Begriff „Post-Internet-Kunst“. Dies sei auf deren Wunsch zurückzuführen, keine weiteren Etikettierungen vornehmen zu wollen, sondern die Arbeiten nur für sich sprechen zu lassen, so Mille. „Künstler, die im Bereich der Neuen Medien arbeiten, können dem Einfluss des Internets, der Bilder, die uns tagtäglich umhüllen, kaum entfliehen. Manche werden mehr, manche weniger davon beeinflusst.“

HybridLayers2-min Anne de Vries „Submission“, 2015

Die „Hybrid Layers“-Künstler stammen aus ganz verschiedenen Ländern (China, Deutschland, Estland, Frankreich, Georgien, Großbritannien, Irland, Italien, Kanada, Niederlanden, Serbien, USA/Qatar), wurden jedoch überwiegend in den 1980er-Jahren geboren. Der Kurator Philipp Ziegler äußert im Beitrag von den BNN hierzu:

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„Das sind Künstler, die sich weniger mit dem Programmieren, also mit der Hardware oder Software, auseinandersetzen, sondern sich vor allem damit beschäftigen, wie das Leben heute unsere Wahrnehmung – unser Fühlen, unser Denken – vom Digitalen beeinflusst und damit auch geprägt und konditioniert wird.

Wir verwenden heute den Begriff „digital natives“. Künstler, die als solche bezeichnet werden können, kennen die heutige Welt überwiegend durch die Brille der digitalen Medien. Genau dies hat selbstverständlich auch einen enormen Einfluss auf die Kunstproduktion. Es wird in dieser Ausstellung nicht nur die Medienkunst (Video oder digitale Animation) gezeigt, sondern durchaus auch Skulpturen, Installationen und physische Objekte.“

Letztere ermöglichen eben das, was die Post-Internet-Ästhetik ausmacht: den Austritt aus dem virtuellen Raum und den Eintritt in den physischen Raum umzuwandeln. Die Kunstwerke wurden zwar mithilfe eines Computers erstellt, jedoch durch neuartigen Druckverfahren aus neuen synthetischen Stoffen realisiert. Die Kunstwerke sind also real: Man sieht sie nicht nur auf dem Bildschirm, sondern kann sie mit den Händen greifen.

Hier glänzen die schwarzen Perlen im Glastablett auf dem Onyx, dort die kristallenen Eiszapfen. Die Rede ist von den Arbeiten „Echo“ und „through your eyes“ von Delia Jürgens aus der Serie „We thought they are Windows, but actually they are mirrors“. Auf der anderen Seite der Halle sind riesige namenlose Skelette, die die Künstlerin Aleksandra Domanović erschaffen hat, zu sehen. Daneben befinden sich Skulpturen aus bearbeitetem Ton. Sie sind Teil der Serie „Here I am und things that exist. Ow!“ und wurden von Rachel de Joodes kreiert. 

Sind diese Skulpturen aber alle das, was sie vorgeben zu sein?

Dies kleine Wort „Ow“ am Ende des Titels sagt sehr viel über die kaputte Post-Internet-Welt aus. Es ist wie eine Überraschung, der eine leichte, aber zugleich auch schmerzhafte Enttäuschung folgt. Stichwörter wie „fragliche Originalität“, „flüchtige Wahrheit“ oder letzten Endes „Fakenews“ sind es, die mit dem Ausruf „Ow“ einhergehen.

HybridLayers11-min Delia Jürgens „Echo“ („We thought they are Windows, but actually they are mirrors“), 2016/2017

Näheren wir uns den Kunstwerken, dann sehen wir: die Eiszapfen sind nur billige Dekoration auf Kunststoff (die Künstlerin behielt mit Absicht die Preisetiketten). Die Perlen werden zu Wasserkugeln im Spiegelbehälter, der sich auf einem extruierten Stock-Image von Gun Smoke Onyx in Baumwolle befindet. Die scheinbar dreidimensionalen Skelette stellen sich als zweidimensionale durchsichtige Folien heraus; quasi als Schichten, die von der Decke hängen. Die Tonskulpturen, die aus der Ferne nahezu räumlich erscheinen, erweisen sich als hyperreale Bilder – sie wurden lediglich auf die Holzsockel aufgedruckt.

Jener Umstand verdeutlicht, dass die Künstlerinnen mit den Seh- und Wahrnehmungsgewohnheiten der Besucher spielen. Außerdem inszenieren sie die Repräsentation von Objekten und Erscheinungen in einer von Digitalität und Technologie geprägten Welt.

Dieser Trend ist auch in den Videoarbeiten von Lawrence Lek, Blunt x Skensved und La Plage zu sehen. Zum Beispiel in der Computersimulation des in England lebenden Künstlers Lawrence Lek Europa, Mon Amour (2016 Brexit Edition) erlebt der Zuschauer durch die Ich-Perspektive die bevorstehende dystopische Zukunft East Londons nach dem Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU. Die Szenen erwecken den Eindruck, als wenn der lebendige und pulsierende Stadtteil Dalston eine Stadtwüste voller Ruinen sei. Die Stimmen aus Lars von Triers „Europa“ und Alain Renais „Hiroshima, Mon Amour“ untermalen den virtuellen Spaziergang. 

HybridLayers12-min Rachel de Joodes „Here I am und things that exist. Ow!“, 2015

Oben genannte Arbeit dient ebenfalls als gutes Beispiel dafür, dass zahlreiche Kunstwerke neben dem bereits genannten Hauptthema noch ein oder zwei andere Aspekte verdeutlichen. Man kann folglich sagen, dass sie hybrid sind. Bei Lawrence äußert sich diese Hybridität beispielsweise anhand des Themas „Brexit“Domanović beschäftigt sich unter anderem mit der Beziehung zwischen Mensch und Maschine und betrachtet sie aus einer feministischen Perspektive. Ihre Arbeit zeigt mithilfe eines 3D-Druckers einen Moment der Bildreproduktion. Es handelt sich dabei um die früheste bekannte Abbildung einer Druckerei und Buchhandlung: einen im Jahr 1499 in Lyon, Frankreich veröffentlichten Holzschnitt. Grob gesagt stellt die serbische Künstlerin nämlich den Tod in einer Druckerei dar. Man muss bedenken, dass der Druck zu damaliger Zeit ein völlig neues Medium war. Viele Menschen verteufelten es sogar. Domanović spielt mit diesem Sujet: Auch heute teilen viele die Meinung, dass neue Medien, insbesondere die sozialen Medien, mehr Fluch als Segen sind. 

Wo lässt sich in Domanovićs Werk aber nun der feministische Aspekt verorten? Interessanterweise gilt in ihrem Werk das dargestellt Darmbein – ein Teil des Beckens – als eines der wesentlichen Elemente, um männliche von weiblichen Skeletten voneinander zu unterscheiden. Dieser Umstand wird auch im Motiv des Plastikmantels fortgeführt: Die Replikantin Thora trägt diesen im Film „Blade Runner“ (1982).

HybridLayers9-min Aleksandra Domanović „Untitled“, 2015

Die Künstler der Ausstellung widmen sich außerdem Themen wie etwa folgenden:

    • Der digitalisierte Selbstentwicklungsprozess und die Selbstdarstellung eines Individuums (Videoinstallation „Der Geist: Flesh Feast“ von Ed Fornieles aus dem Jahr 2016 – hierbei fungiert ein Zeichentrickfuchs als Hauptdarsteller)
    • Die Isolation des Individuums durch die Technologie und den reaktionären Islam („Sisters“ von Sophia Al Maria aus dem Jahr 2015: Es handelt sich hierbei um verpixelte Selfie-Videos von arabischen Frauen)
  • Die Veränderung der Wahrnehmung, die das Reisen mit sich bringt, als Metapher dafür, dass es in dieser sich im Wandel befindenden Welt mehr als lediglich eine Art des Verstehens gibt (Videoinstallation „Weather Forecast“ von Guan Xiao, 2016)
  • Die komplexen Bezüge zwischen Mensch, Umwelt und Technologien („Swoon Motion“ von Katja Novitskova, 2015)

Die Ausstellung in Karlsruhe präsentiert die Kunstwerke in ganz unterschiedlicher Form: Zwar sind die Themen lose miteinander verbunden, sie ermöglichen dem Betrachter aber dennoch, Zusammenhänge zwischen ihnen herzustellen. Man kann sie als eine Art professionell arrangierte Rhapsodie deuten. Mit etwas Phantasie hört sich diese nach einem abstrakten schamanischen Mantra aus den Vokalen „A“ und „O“ an, welche die bizarren weißen Köpfe der Toninstallation „13 7E 2C 35 D7 16 32 9A…“ von Yngve Holen und Aedrhlsomrs Othryutupt Lauecehrofn erzeugen. Die unzusammenhängenden Stimmen der 22 Künstler klingen polyfonisch und ermöglichen eine harmonische nichtlineare Verflechtung des Publikums und der hybriden digitalen Welt.

Es stellt sich die Frage, was diese vielschichtige Kunst aber weiterhin aufzeigen und verdeutlichen kann, wenn sie eine alternativlose, nicht von der Hand zu weisende Wirklichkeit darstellt? Die Kuratorin Sabiha Keyif erklärt im Interview für Deutschlandradio Kultur:

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„Ich glaube, die Arbeiten machen es möglich, uns kurz damit auseinanderzusetzen und zwar auf eine angenehme Art und Weise. Also, man schaut sich das an und fragt sich: „Was sehe ich dort eigentlich? Wo kommt das her? Woran erinnert es mich? Und das wirft mich eigentlich auf mich selbst zurück, indem bestenfalls vielleicht der Moment ausgelöst wird, in dem ich anfange zu überlegen, wie beeinflusst mich eigentlich das Digitale und was bedeutet das für mich? Welche Rolle hat das eingenommen?“

Den BesucherInnen komme wahrscheinlich vieles bekannt vor, da die Ästhetik der Arbeiten den Zeitgeist sehr genau wiedergebe, bemerkt die Kuratorin Daria Mille. Selbst wenn einen die Frage „Ist das überhaupt Kunst“ nicht anspricht, findet in dieser rhapsodischen Ausstellung dennoch jeder eine an die eigene Person adressierte Strophe.

HybridLayers8-min Delia Jürgens „XY“ („We thought they are Windows, but actually they are mirrors“), 2016/2017

Doch was ist mit der Post-Internet-Kunst?

Okay, gut. Die „Hybrid Layers“ haben Wirkung erzielt. Jeder – vielleicht mit Ausnahme einiger afrikanischer Regionen – fühlt sich angesprochen. Doch was ist mit der Post-Internet-Kunst?

Wie bereits angesprochen, führt heutzutage kaum noch ein Weg am Internet vorbei. Nicht nur der Aspekt des Informiertseins oder die Möglichkeit, Dinge schnell nachschauen zu können, spielen hierbei eine Rolle. Das Ganze ist komplizierter: Mitunter aufgrund des Internets gehen Werte wie Bestimmtheit, Wahrheit, Beständigkeit oder Klarheit verloren. Demgegenüber bestimmen eine permanente extreme Reizüberflutung und die globale Digitalität immer mehr den Alltag.

Vielleicht mögt ihr den Begriff „Post-Internet-Kunst“ nicht? Seid ihr womöglich der Meinung, dass diese Bewegung nicht mehr existiert? Wenn es sie gab, wurde sie etwa nur dafür geschaffen, um die Netzkunst kunstmarktfähig zu machen? Kein Problem. Die Zeit des Post-Internets gewährt einem auch eine extreme Freiheit, was die eigene Denkweise betrifft. Man könnte sogar so weit gehen und behaupten, dass heutzutage alle Künstler in gewisser Weise Post-Internet-Künstler sind. Der Fakt, dass unser Wahrnehmungsmechanismus verglichen mit früher vollkommen verändert ist, lässt sich schwer bestreiten. Man kann es als „Digitalästhetik“ oder „Post-Internet-Ästhetik“ bezeichnen; man kann jedoch auch andere Begriffe für sie finden. Zweifelsfrei ist jedoch, dass diese Kunst existiert und immer mehr an Präsenz zunimmt. Diese neue Ästhetik entschlüsselt den Kontext unseres Lebens, sie ist die Reflexion über den Einfluss und die Aneignung des Digitalen.

Die Künstlergenerationen, die in Zeiten totaler Digitalisierung leben, sehen die Welt als einen Hybriden, der ermöglicht, dass das Digitale, das Reale, das Synthetische und das Künstlerische nebeneinander gleichberechtigt und gleichwertig existieren können.

* Der Einfachheit halber wird in dieser Rezension überwiegend von der männlichen Form Gebrauch gemacht. Diese schließt die weibliche aber selbstverständlich mit ein.

**  Beispiele: James Bridle, Harm van den Dorpel, Constant Dullaart, Tyler Coburn, Petra Cortright, Rafaël Rozendaal, AIDS3D, Kari Altmann, Sandra Anderlon, Juliette Bonneviot usw. Hierbei auch nicht zu vergessen sind folgende in der ZKM-Ausstellung präsentierten Künstler: Sophia Al Maria, Auto Italia South East (Marianne Forrest, Edward Gillman, Victoria Sin, Pablo Jones-Soler), Glass Bead, Riccardo Benassi, Enrico Boccioletti, Blunt x Skensved, Aleksandra Domanović, Ed Fornieles, Guan Xiao, Yngve Holen & Aedrhlsomrs Othryutupt Lauecehrofn, Rachel de Joode, Delia Jürgens, Daniel Keller, La Plage, Lawrence Lek, Metaphysics (beteiligte Künstler: Eddie Peake, Florian Meisenberg, Anne de Vries, Rubén Grilo, Jack Strange und Anna K.E.; produziert von: Philip Hausmeier), Katja Novitskova, Yuri Pattison, Tabita Rezaire, Unknown Fields, Anne de Vries und Yu Honglei.

Featured Image: ZKM (bearbeitet von Anna Getmanova)

Weitere Fotos und Video: Anna Getmanova

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